Samstag, 19. Oktober 2013

... in Indien (#7)

Nach der langen Zugfahrt ein langer aber interessanter Tag in Madurai 


Nach unserer Ankunft im Gästehaus des Tamil Theological Seminary (TTS) in Madurai, frühstückten wir ausgiebig und besichtigten den Campus, auf dem 200 Studenten verschiedener christlicher Konfessionen studieren.

Ein Teil der beeindruckenden Bibliothek
des "Tamil Theological Seminary" (TTS) in Madurai.
Danach verließen wir das Seminar in Richtung Innenstadt. Der große Hindu-Tempel dort war unser erstes Ziel. Die faszinierenden Eindrücke im Inneren wurden etwas getrübt, als wir beim Verlassen des Tempels bemerkten, dass wir den falschen Ausgang erwischt hatten. Vor dem Betreten mussten wir nämlich unsere Schuhe abgeben, so wie in jedem Tempel in Indien und damit übrigens auch in allen christlichen Kirchen, und jetzt waren unsere Schuhe auf der anderen Seite des Tempels. Nun barfuß mehrere hundert Meter weit über die kochenden Marmorplatten zu hopsen, staken, rennen war für uns Europäer kein Vergnügen, für die einheimische Jugend teils schon, die uns grinsend beobachtete.

Nach einer Stunde zur freien Verfügung in den engen Marktgassen um den Tempel, brachte uns unser indischer Begleiter Franklin mit dem Bus in ein Frauenhaus, das von der TTS betrieben wurde. Da dort viele Frauen Unterschlupf und Unterstützung finden, die Opfer schwerer häuslicher Gewalt geworden waren, wurden die Herren unserer Gruppe angewiesen, sich etwas zurückzuhalten. Wegen des herzlichen Empfangs mit Blüten, vielen lachenden Gesichtern und neugierigen Blicken fiel uns das sehr schwer. Eine der Frauen zeigte starke Brandnarben und verhielt sich sehr zurückhaltend, auch die Damen unserer Gruppe respektierten das und sprachen sie nicht an. So bleibt uns nur zu vermuten, dass es sich bei ihr um einen der Fälle handelt, wo Ehemänner versuchen, ihre Frauen zu töten, um mit einer neuen Heirat wieder neue Mitgift kassieren zu können. Andere der Frauen sind ohne Bleibe und Familie, wurden als junge Mädchen an alte Männer verheiratet. Wenn nun die eigenen Eltern und der Ehemann vor der Frau versterben, bleibt diese ohne Halt in der Gesellschaft zurück. Auch um diese Schicksale kümmert sich das Frauenhaus. Wie bisher bereits kennengelernt, finden auch in diesem Haus Frauen aller Religionen und Konfessionen Hilfe und Unterkunft.

In einem Gespräch am späten Nachmittag mit dem Principal Prof. Gnanavaram erfuhren wir, dass es sein Ziel sei, Theologie zu leben und außerdem nicht die Religion aus dem Westen zu importieren. Er möchte eine eigene indische christliche Theologie schaffen, mit eigener Lithurgie und Liedern und allem, was dazugehört. Dabei waren gerade bei den Gottesdiensten in Tamil Nadu die englischen Choräle eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen uns und den indischen Christen, bemerkte die Gruppe bei einer späteren Reflexion.

Die Ausbildung der jungen Priester dort beeindruckte unsere mitgereisten deutschen Pfarrer.Ganz im Sinne der Idee »Theologie zu leben«, ist das Studium sehr praxisorientiert. Nach dem ersten Jahr sind die Studierenden nicht mehr auf dem Campus untergebracht, sondern in den nahegelegenen Slums.

Im dritten Jahr leben die Studenten auf dem Land, beschäftigen sich dort mit nachhaltigem Ackerbau und dem Leben der Bauern. Im weiteren Verlauf ihres Studiums müssen sie für einige Wochen ein Entwicklungshilfeprojekt begleiten, in einem der abgelegenen Dörfer, sowie weitere praxisbezogene Stationen absolvieren.

Nach dem Abendessen besuchten wir fünf der Seminaristen in ihrer Slumhütte, dort leben sie Tür an Tür mit einer der unteren Schichten. Wobei es sicherlich Slums gibt, in denen noch ärmere Menschen leben. Dieses Slums, die wir zu Gesicht bekamen, vermuteten wir vielmehr in der unteren Mittelschicht oder oberen Unterschicht. Also nicht die Wellblechhütten, die wir in Deutschland mit Slums verbinden. Trotzdem war es eine Erfahrung, die zum Nachdenken anregte, wenn Mitglieder der Mittelschicht in Slums leben.

Nach einer unruhigen Nacht im Zug kamen wir nach einem sehr langen Tag endlich in unsere Betten. Die Temperaturen waren noch ein bisschen höher als in Chennai und auch die Luftfeuchtigkeit hatte nicht nachgelassen.






 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen