Samstag, 26. Oktober 2013

... in Indien (#10)

Konfirmation und Beerdigung auf keralesisch
Die Rückseite der kleinen  Bergkirche, in der wir eine
Konfirmation und eine Beerdigung erleben durften.

Bereits um sechs Uhr morgens saßen wir am Sonntag im Bus mitsamt unserem Gepäck. Denn nach dem Tagesprogramm sollten wir vorerst nicht mehr in das Bischofshaus zurückkehren, sondern wurden in unsere Gastfamilien gebracht.
Doch zuvor warteten noch neun junge Menschen auf uns, die heute ihre Konfirmation feiern sollten. Nach knapp zwei Stunden über serpentinenreiche Bergstraße im unendlichen Grün kamen wir an einer kleinen Kirche an einem Berghang an. Wir frühstückten kurz und zogen als Gefolge des Bischofs in den Gottesdienst ein.
Bischof K. G. Daniel (Mitte) beim Konfirmationsgottesdienst
mit den deutschen Pfarrern Thomas Philipp (li.) und
Eberhard Hampel (re.).
Mit knapp unter drei Stunden war dieser Konfirmationsgottesdienst sehr kurz, für indische Verhältnisse. Die Lieder, welche die Inder voller Inbrunst und laut singen, klingen für unsere europäische Ohren fremd aber sehr angenehm. Interessant war es auch die Melodie von Luthers »Ein feste Burg ist unser Gott« mit einem Text auf Mayalayam zu hören, der hier vorherrschenden Sprache.
Eberhard Hampel hatte die Ehre, in diesem Gottesdienst zu predigen. Sein englische Predigt, mit der Botschaft Grenzen zu überwinden, wurde von Referend Jacob in die Landessprache übersetzt. Unsere Gruppe trug mit zwei Gesangs- und zwei Flötenstücken zum Gelingen des Gottesdienstes bei.
Am Tag zuvor war ein 45-jähriger Familienvater an Herzinfarkt gestorben und sollte im Anschluss an die Konfirmation beerdigt werden. Uns wurde angeboten, dies zu beobachten. In Indien werden die Verstorbenen teils noch am Tag ihres Todes, spätestens am folgenden beerdigt. Der lange Trauerzug zur Kirche, der im offenen Sarg aufgebahrte Tote, umringt von seiner Familie war für uns ein tiefgreifendes Erlebnis. Auch die offene Art, mit der die Menschen mit ihrer Trauer umgehen, sie nicht zu verstecken suchen und neben dem Sarg weinen oder auch gelegentlich ihren Schmerzen mit einem erstickten Schrei zu lindern versuchen, war für uns alle sehr bewegend. Als der Gottesdienst sich seinem Ende näherte und die Träger näher kamen, um den Sarg nach draußen zu bringen, begannen die Angehörigen ihren Sohn, Mann, Vater, Bruder, Onkel zum Abschied noch einmal zu küssen und zu streicheln. Die Mutter, so schien es, wollte ihren Sohn nicht gehen lassen und musste vom Sarg weggezogen werden.
Wir warteten schließlich vor der Kirche, während der offene Sarg mit dem Toten zum benachbarten Friedhof getragen wurde, um dort begraben zu werden. Plötzlich gab es Aufregung unter den Trauergästen. Von sechs Frauen getragen, wurde die Witwe vor die Kirche gebracht. Sie war am Grab zusammengebrochen und nun schnell in einem Jeep ins Dorf gebracht.
Auf der anschließenden Fahrt zum zweitgrößten Staudamm Asiens in Idukki erklärte uns Thomas Philipp, der bei der Beerdigung einige Worte gesprochen hatte, eine Aufgabe um die ihn niemand beneidete, die Situation der Witwe. In der Hindu-Gesellschaft wäre diese Frau nun ohne Halt gewesen. Eine zweite Heirat käme für sie nicht in Frage, weil kein Hindu-Mann die Witwe mehr ehelichen würde. Denn dadurch, dass ihr Ehemann verstorben war, war sie für Hindus mit einem Fluch belegt, der auch alle späteren Ehemänner heimsuchen würde. Hier ist es nun an den Christen, zu zeigen, dass sie gegen die Hindu-Tradition ihres Landes besser handeln, und der Witwe einen Platz in ihrer Gemeinde geben.
Der Idukki-Staudamm war bis zum Bau des Drei-Schluchten-Dammes in China der größte seiner Art in Asien. Durch die lang anhaltende Regenzeit in diesem Jahr, ist er bis zum Rand gefüllt und wird ständig kontrolliert. Auch hier werden die politischen Querelen zwischen den Staaten Indiens deutlich. Der Idukki-Damm wird von Kerala verwaltet und unter anderem aus einem weiteren, kleineren Staudamm gespeist, der zwar auf dem Hoheitsgebiet Keralas liegt, aber in der Verantwortung des Nachbarstaats Tamil Nadu steht. Noch von den Engländern gebaut, zeigt dieser langsam Risse und droht unter der Last der Wassermassen in diesem Jahr zu bersten. Dies würde bedeuten, dass auch der dahinter liegende Idukki-Staudamm dem Druck des Wassers nicht mehr würde standhalten können und sich eine unvorstellbare Flutwelle in die Täler Keralas ergießt. Deshalb fordert Kerala seine Nachbarn auf, nicht nur den gewonnenen Strom aus dem Staudamm abzuschöpfen, sondern endlich auch etwas für dessen Instandhaltung zu tun.
Nach einem letzten gemeinsamen Abendessen wird unsere Gruppe aufgeteilt, um jeweils zu zweit eine Woche bei indischen Familien zu verbringen. Spät abends bei Dunkelheit treffen auf dem Anwesen der Thomas Company ein, bei dessen Manager Peter King und dessen Familie (Ehefrau Ramona, Tochter Rachel, Sohn John) Eberhard und ich die nächsten Tage verbringen werden. Die Villa aus der Kolonialzeit mit vielen Bediensteten ist nicht das Indien, an das Eberhard und ich dachten, als wir die Reise antraten. Wir sind gespannt.

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