Mittwoch, 16. Oktober 2013

... in Indien (#5)

Women Industrial Centre und knapp 10 Stunden Busfahrt


So, zurück aus dem Gewimmel von Chennai zu Fuß und per Tuk-Tuk, habe ich jetzt eine halbe Stunde Zeit, den gestrigen Tag kurz zusammenzufassen.

Auf dem Weg zum "Women Industrial Centre" der CSI
beeindruckt uns das indische Straßenleben.

 
Nach dem Frühstück mit Fladenbrot aus Erbsenmehl und einer Soße aus Kokos, Knoblauch und Pepperoni, wie immer mit den Fingern zu essen, bestiegen wir unseren kleinen Bus (hessisch: Bussi) und fuhren Richtung Palmaner und Vellore. Die deutsche Entwicklungshilfe unterstützt das Projekt »Women Industrial Centre« in Palmaner, das von der Church of South India (CSI) betrieben wird. Dauern sollte die Hinfahrt etwa drei Stunden, nach etwas über vier waren wir dann dort. Nach indischen Maßstäben noch eine gute Zeit für eine Distanz von etwa 230 Kilometer.
Eine kleine Farm, mit einem fast kolonialen Herrenhaus, Feldern und Werkstätten mit angegliedertem Hostel für Mädchen. Die Mädchen, oft Halbwaisen, sollen hier zwei Jahre Nähen und Sticken lernen, den Umgang mit einem Computer sowie die Grundkenntnisse der englischen Sprache. Außerdem gehören auch Agrar-Projekte auf den umliegenden Feldern zu diesem Programm, auch Ackerbau ohne Chemikalien soll den jungen Frauen an die Hand gegeben werden.

Wie wir einen Tag später (heute) in der Nachbesprechung erfuhren, waren dort ehemals 300 Mädchen untergebracht und wurden ausgebildet. Wir trafen nur noch knapp 20. Die Gelder brechen weg und es lägen eine unprofessionelle Verwaltung sowie schlechte Marketing- und Verkaufsstrategien vor.

Die jungen Frauen lernen verschiedene Techniken
der Handarbeiten und Computergrundkenntnisse,
um von den Männern unabhängig zu werden.

Die 20 Mädchen, die wir trafen, zeigten uns einerseits scheu, andererseits mit Stolz ihre Arbeiten: Stickereien und Kleider. Zu den Stickereien gehörten auch Weihnachtsmotive und die in Deutschland so bekannten »betenden Hände« von Albrecht Dürer. Dabei fragte ich mich, ob die Mädchen je einen schneebedeckten Tannenzapfen gesehen hatten oder mehr über die »betenden Hände« wussten.

Zum Abschied sangen uns die Mädchen ein Ständchen, behängten uns schüchtern mit Blumenkränzen. Als wir aber im Bus saßen, kamen sie in kleinen Gruppen aus allen Richtungen gelaufen, stellten sich an den Rand des Weges zum Haupttor und winkten uns lachend und springen zu. Wir hatten versprochen, ihnen die Fotos, die wir von ihnen gemacht hatten, bald auf dem Postweg zuzuschicken. Der Drucker im dortigen Büro war nämlich defekt und würde es auch die nächste Zeit bleiben.

Auf dem Rückweg statteten wir dem Vice-Bischof Sathiyaraj einen Besuch ab, der uns begeistert vom dortigen »Vasantham Project« berichtete. Dieses Vorhaben bezeichnet ein neunstöckiges Büro- und Gewerbegebäude, dass von der CSI gebaut wird und anschließend durch die Mieteinnahmen Gewinne für die Arbeit der Kirche generieren sollte. Bei der Nachbesprechung am folgenden Tag (heute) kritisierten wir (die deutsche Delegation »Referend Philipp & Team«) dieses Vorhaben. Aus Erfahrungen mit dem einsetzenden Rückgang der deutschen Wirtschaftskraft bezweifelten wir, dass die Rechnung der CSI aufgehen werde und bezeichneten das Vorhaben als »finanziell riskant«.

Hier wird es langsam dunkel, bald ist es Zeit für das Dinner. Das letzte hier im Haus in Chennai. Um 20 Uhr startet unser Nachtzug nach Madurai, der Tempelstadt.


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