Montag, 24. September 2018

Arbeitskollege Erdogan

Warum Politiker sich nicht benehmen dürfen, wie Bürger es sollten.


Es gibt Kollegen, die mag man nicht, muss aber trotzdem mit ihnen zusammenarbeiten, um voran zu kommen. Das denke ich mir, wenn nun deutsche Politiker vor dem türkischen Staatschef die Türen verschließen wollen. Man sollte dabei bedenken, dass Herr Erdogan ein gewähltes Staatsoberhaupt eines souveränen Staates ist. Was er dort tut oder nicht, kann uns gefallen oder nicht. Als Demokraten sollte es uns nicht gefallen, das stimmt. Aber es ist nunmal die Innenpolitik eines eigenständigen Landes; wir wollen schließlich auch nicht, wenn Erdogan sich in unsere Innenpolitik einmischt, was wir – mit Recht – sehr deutlich zeigen, wenn er versucht. Hätten die Politiker in der Vergangenheit jedoch genauso gedacht, würde der Eisener Vorhang heute noch immer West von Ost trennen. Ohne Reden geht es nicht.

Wenn nun Bürger auf die Straße gehen und ihre Meinung gegen den Politiker laut kundtun, ist das völlig in Ordnung. Es sind Demokraten und die stören sich daran, was in der Türkei geschieht und das dürfen und sollen sie dem ausländischen Staatschef auch zeigen. Unsere Politiker dagegen sind in diesem Fall eben nicht nur »Bürger«, sondern eben auch Vertreter Deutschlands und müssen mit dem Vertreter der Türkei zusammenarbeiten, um weiterzukommen. Es ist ihr Kollege, das muss ihnen nicht gefallen, sie müssen ihn nicht mögen aber sie müssen sich zusammenreißen und vor allem zusammenarbeiten!

Was mich dabei viel mehr stört ist, dass unsere Politiker diesen Unterschied zwischen Bürger und Vertreter des Staates mit besonderen Verpflichtungen nicht sehen, denn leider handeln sie auch in anderen Bereichen oft so, als würden sie den Unterschied nicht erkennen.


CC-BY-ND Marc Stephan

Der Hambacher Forst, ein verratenes Symbol

Schaue ich mir die Berichte zur Räumung des Hambacher Forstes an, denke ich mir zuerst: »Nicht alles was man darf, muss man auch tun!« Kurz danach denke ich aber daran, dass die Braunkohle in Deutschland subventioniert wird, wenn auch nur indirekt. Ohne indirekte Subvention stiege der Preis auf Braunkohlestrom auf das Dreifache.

Nun sehe ich die Demonstranten und auch einige der Radikalen, die sich gegen die Räumung und die Rodung des Forstes wehren, teils mit Gewalt. Dabei kommen mir Bilder aus den Medien in den Kopf, die Bergleute zeigten, die um ihren Job kämpften und gegen die Streichung der direkten Subventionen demonstrierten. Wer von den Räumungsgegnern im Hambacher Forst würde sich vor einen solchen Familienvater stellen und ihm ins Gesicht sagen: »Dein Job ist umweltschädlich, lass das Demonstrieren, such’ dir einfach einen anderen!« Niemand. Steine auf Polizisten werfen klappt dagegen sehr gut.


Dass der Hambacher Forst allein den Klimawandel nicht aufhalten kann, ist auch klar. Die Ausgleichsfläche kann den über 12 000 Jahre gewachsenen Wald nicht ersetzen, zumal auch die Braunkohle darunter noch als CO² in die Atmosphäre steigen wird. Trotzdem ist es ein Symbol. Aber ein Symbol für was? Dass wir uns gegen den Klimawandel stellen, während wir einen SUV fahren, stets das neueste Handy haben, zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen, Plastiktüten verwenden, kürzeste Strecken mit dem Auto fahren, ständig das Internet nutzen (ja, auch das verschlingt weltweit Unmengen an Energie), Palmölprodukte kaufen und vieles mehr? Ich sage nicht, dass wir nicht um das Symbol Hambacher Forst kämpfen sollten, nur sollten wir eben dieses Symbol nicht täglich verraten.


CC-BY-ND Marc Stephan